Frühling 2020 - wie es uns und den Olivenbäumen so geht

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Vor ein paar Tagen hat die Olivenblüte richtig angefangen und bei den Apfelsinen sieht man schon die kleinen Früchte; es ist wirklich wunderschön! Nicht alle Blüten werden natürlich zu Oliven, da kann bis Oktober noch viel passieren...aber es ist wirklich eine Pracht! Uns geht es gut. Hier in Sizilien und vor allen Dingen in Menfi ist das Virus sehr wenig verbreitet aber wie Ihr sicherlich alle wisst, müssen auch wir hier im Süden uns an die strengen italienischen Regeln halten: seit dem 8. März dürfen wir praktisch nur 1 mal am Tag einkaufen, alleine, sonst nichts, #iorestoacasa #ichbleibezuhause. Wir haben das Meer vor der Tür aber man darf nicht hin. Es ist beeindruckend wie sich die Menschen an alle Bestimmungen halten. Hier steht das Menschenleben an der ersten Stelle, dann kommt die Wirtschaft, obwohl es hier wirklich für viele Menschen sehr kritisch werden wird. Menfi ist schon normaler Weise nicht sehr belebt aber jetzt ist es wie eine Geisterstadt. Man telefoniert und benutzt die social networks und es wird viel Solidarität organisiert, nicht nur in der Stadt, naja und die Bauern arbeiten natürlich. Beeindruckend ist, dass auch hier auf dem Land und in den kleinen Dörfern überall die Schule online funktioniert, sogar in der Grundschule. Morgens darf man bei denen, die Kinder zuhause haben nicht anrufen, denn man stört den Unterricht. Unsere Freunde, die in der Schule arbeiten, sind täglich eingespannt und sehr müde, denn sie sagen es wäre doch sehr anstrengend. Die Schwester von Saverio arbeitet im Krankenhaus in Agrigento und erzählt, wie anstrengend es ist, immer alle Sicherheitsmassnahmen zu beachten, Schutzmasken und Schutzkleidung anzuziehen und dann zu arbeiten. 
Wir haben das Glück auf dem Land zu wohnen, mitten in unseren Olivenfeldern. Für uns ist zuhause eine fast 2 Hektar grosse Umwelt, wo Pflanzen, Blumen, Vögel und andere Lebewesen ausser uns ihr Leben führen. Ausserdem dürfen wir als registrierte Bauern auch die etwas weiter liegenden Olivenhaine versorgen; also dürfen wir raus und unser Mitarbeiter Antonio darf mit uns arbeiten. Wir und die Pflanzen, ihre Entwicklung, das war unsere zentrale Beschäftigung im März und im April und ich muss sagen, dass es persönlich kein Opfer für mich war. Aber es ist natürlich schrecklich zu wissen wie es den Menschen in den grossen Städten geht, wie viel man seine Gewohnheiten und Beziehungen einschränken muss, wieviele Menschen sterben oder leiden und wieviele Menschen in tiefen wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind. Ich habe vor ein paar Jahren das Buch von David Quammen "Spillover - der tierischer Ursprung weltweiter Seuchen" gelesen und bin seit dem entsetzt über das, was wir Menschen täglich der Natur antun und wie unwissend wir sind. Ich habe in diesen Tagen viel über unsere Entscheidung nachgedacht hierher zu ziehen und unser Leben zu ändern und ich muss sagen, dass ich sehr zufrieden bin. 
Den ganzen Winter über hatten wir an der Restaurierung eines Teils unseres Hauses gearbeitet. Jetzt gibt es ein tolles Regendach ....es wird immer schöner bei uns!
Im Januar haben wir eine Sonnenernergieanlage gekauft und die sollte auf einem neuen Dach installiert werden. Ausserdem wollten wir ein Gästezimmer und das Studio für Saverio herrichten. Das Dach haben wir geschafft, bevor das Virus unsere Pläne zerstörte. Alle Bauarbeiten mussten eingestellt werden und so blieb uns nichts Anderes übrig als mit Ruhe und Liebe zu hacken, die Bäume zu schneiden und uns um alle Pflanzen zu kümmern.  Am 16. April war es dann soweit: die Bestimmungen wurden etwas gelockert und die Sonnenenergieanlage durfte montiert werden und jetzt funktioniert alles.  Wann die weiteren Bauarbeiten wieder beginnen können, das wissen wir nicht. Aber jetzt sind wir erst einmal glücklich.
Ausserdem haben wir soviel mit unseren Oliven und dem Gemüsegarten zu tun dass wir uns sicherlich nicht langweilen. 
Bevor das Virus auch uns hier in Menfi blockiert hat (wir dürfen nicht einmal in das Nachbarstädtchen!) waren wir aber mit Leonardo Cannata  - unserem Agrarberater -  in der Nähe von Messina, in Rodì Milici, um es genau zu sagen. Wir haben uns entschlossen weitere Olivenbäume anzubauen. Aber wir wollten sie nicht in irgendeiner Baumschule kaufen, denn dort werden nur Standardsorten verkauft und dadurch reduziert sich die wunderschöne Artenvielfalt immer mehr und das Öl wird weniger interessant und besonders. Also haben wir beschlossen, unsere eigenen interessantesten Bäume über Stecklinge zu vermehren.
Die so entstehenden Planzen sind genetisch identisch d.h. sie kennen auch schon das Land, den Boden, das Klima wo sie herkommen und wieder eingepflanzt werden, denn sie haben die Informationen gespeichert. Über hundert neue Planzen wollen wir anbauen und so brauchen wir eine Baumschule, die bereit und fähig ist zu pfropfen und die haben wir in Rodì Milici gefunden. Also haben wir Anfang März die Triebe von den Bäumen gesammelt die wir klonen wollten (hier heissen sie "marze" das kommt vom Monat marzo - März) und sind dann am nächsten Morgen Richtung Messina aufgebrochen, um unsere "marze" der Baumschule zu bringen. Auf den Fotos könnt Ihr sehen wie es funktioniert: die Triebe werden an die Wildlinge durch Schnitte verbunden und wachsen darin.
Leider können wir jetzt nicht selbst schauen, wie es unseren Planzen geht aber wir haben Fotos bekommen. Wie man sehen kann sind es schon kleine Planzen. Nach der Olivenernte im Dezember werden wir sie holen und dann hier einpflanzen!
Es war bisher ein arbeitsreicher und sehr stiller Frühling. Saverio hat die Zeit genutzt, um an den Modellen für die Türrahmen zu arbeiten und gemeinsam haben wir auch einen Gemüsegarten angelegt.
Einen lieben Gruss aus dem Belicetal. Wir machen weiter und hoffen, dass die vielversprechende Blüte unserer Olivenbäume zu einer erfolgreichen Ernte führt.  Wir werden uns weiterhin liebevoll drum kümmern aber der Klimawechsel ist genau wie das Virus unberechenbar und ein Ergebnis unseres etwas unsinnigen und ungerechten Entwicklungsmodells. Aber wie gesagt wir arbeiten und lernen. Einen kleinen Traum haben wir, damit wir die Qualität des Öls weiterhin verbessern können: wir würden gerne eine kleine Ölmühle kaufen, so wie die, die wir im vorigen Jahr bei Leonardo Cannata ausprobieren konnten (hier könnt ihr es nachlesen)...mal sehen, ob wir es schaffen!
Vielleicht wird die Welt ja wieder etwas offener und Ihr könnt uns besuchen kommen. Wir freuen uns. In der Zwischenzeit sollten wir aber vielleicht alle mal überlegen, wie jeder von uns etwas ändern kann, damit sich ein besseres Gleichgewicht bildet zwischen Mensch und Mensch und Natur und Mensch.





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